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»HETZJAGD DURCH DIE ZEIT«
Der »Rasende Reporter« in Daten und Fakten
Zusammengestellt von Klaus Haupt
1885
29. April: Im geschichtsträchtigen Haus »Zu den zwei goldenen Bären«
in der Melantrichova/Ecke Ledergässchen - das sich seit 1866 im
Besitz der Familie Kisch befindet - erblickt Egon Kisch am
Nachmittag dieses sonnigen Frühlingstages das Licht der Welt. Er ist
nach Paul Kisch (geboren am 19. November 1883) der zweite von
insgesamt fünf Söhnen des Tuchhändlers Hermann Kisch und seiner
Ehefrau Ernestine, die sich im blühenden Alter von 22 Jahren
befindet
6. Mai: Jüdischem Brauch gemäß wird Egon beschnitten.
1887
22. Mai: Geburt des Bruders Wolfgang.
1889
15. Juni: Geburt des Bruders Arnold.
1891
Ostern: Egon wird in Prag in der Seidlschen Privatschule
eingeschult, die unweit des elterlichen Hauses im Servitenkloster zu
St. Michael in der Melantrichgasse 17 untergebracht ist; im Jahr
darauf kommt er in die Piaristenschule, benannt nach ihrem Sitz im
Piaristenkloster in der Panská ulice (Herrengasse) im Zentrum Prags.
1895
Ostern: Besuch der I. deutschen Realschule zu Prag, Nikolandergasse
3, deren Schüler »Nikolander« genannt werden.
23. Mai: Gisl Lyner (auch: Liner), Kischs spätere Frau, in Wien
geboren, wo Kisch sie auch kennen gelernt hat.
1896
11. Februar: Geburt von Jarmila Ambrozová in Prag, Kischs Freundin,
Vertrauter, Interessenvertreterin in Prag und kongenialer
Übersetzerin seiner Werke aus dem Deutschen ins Tschechische. 1938
verheiratet in dritter Ehe mit dem Prager Journalisten Vincenz Necas
mit dem Namen Haasová-Necasová.
1901
19. Januar: Kischs Vater, geboren am Juli 1840, stirbt in Prag im
Alter von 60 Jahren.
1903
August/September: Egon unternimmt eine von der Mutter spendierte
Ferienreise durch Österreich und Bayern, auf der er viele
Tagebuchnotizen über Land und Leute macht
6. Oktober: Immatrikulation an der deutschen Technischen Hochschule
zu Prag, Abbruch des Studiums nach dem ersten Semester im darauf
folgenden Jahr.
1904
Sommersemester: Belegung von Vorlesungen über Geschichte der
deutschen Literatur und Geschichte der mittelalterlichen Philosophie
an der Prager deutschen Universität.
3. Oktober: Beginn des Militärdienstes als Einjährig-Freiwilliger im
Prager Hausregiment Nr. 11.
1905
Das erste Büchlein unter dem Namen Egon Erwin Kisch erscheint:
»Vom Blütenzweig der Jugend«, Gedichtband, E. Pierson’s Verlag
Dresden
Der Druck des Bändchens wird von der Mutter mit 200 Mark finanziert.
Die Liebe zur Dichtkunst führte auch zu dem von Jung-Egon gewählten
zweiten Vornamen Erwin. Unter dem Pseudonym Erwin Kisch wurde -
entgegen striktem Verbot der Nikolander-Schuldirektion, in der
Presse zu publizieren - bereits um die Jahreswende 1899/1900 in
einer Prager Zeitung ein Gedicht von ihm veröffentlicht.
30. September: Der Militärdienst wird beendet. Während
Einjährig-Freiwillige nach Absolvierung dieses im österreichischen
Heer üblichen einjährigen Dienstes in der Regel zum Reserveoffizier
oder Kadetten befördert werden, wird Kisch wegen renitenten
Verhaltens nur als Titularkorporal entlassen.
Anschließend belegt Kisch das Wintersemester 1905/06 der privaten
Wrede’schen Journalisten-Hochschule in Berlin W 35, Steglitzer
Straße 84.
1906
Der erste und einzige Band mit Erzählungen und Geschichten
erscheint:
»Der freche Franz und andere Geschichten«, Erzählungen, Verlag Hugo
Steinitz, Berlin
März: Rückkehr aus Berlin, anschließend rund sechs Wochen Volontär
beim deutschen »Prager Tageblatt« in der Panska ulice.
April: Die 1828 gegründete renommierte Prager deutsche Tageszeitung
»Bohemia« nimmt Kisch als Lokalreporter in ihre Redaktion auf, der
erfahrene Paul Wiegler wird Egons Zimmernachbar und nimmt ihn unter
seine Fittiche.
1907
Kisch besucht Piräus, Konstantinopel und Neapel.
1909
Kisch bereist die Adria und Brioni.
1910
Juni: Auf einem Floß fährt Kisch für eine Reportage auf Moldau und
Elbe bis nach Magdeburg.
7. August: Kisch erhält eine ständige Rubrik in der Bohemia unter
dem Titel »Prager Streifzüge«; seine Feuilletons erscheinen von nun
an jeden Sonntag bis zum 2. April 1911.
1911
September: Kisch interviewt den berühmten amerikanischen Erfinder
Thomas Alva Edison, der auf einem Europa-Trip in Prag Station macht
- es ist sein erstes internationales Prager Prominenten-Interview.
Edison schenkt Kisch ein silbernes Zigarettenetui mit Widmung.
1912
Ein neues Buch erscheint:
»Aus Prager Gassen und Nächten«, Lokalreportagen, Verlag A. Haase,
Prag
Reportagereise nach London und Antwerpen.
22. September: Die »Bohemia« beginnt mit dem Abdruck einer
Reportage-Serie über Kisch s Aufenthalt in London - es ist die erste
umfangreichere Arbeit über einen Auslandsaufenthalt
9. Dezember: Brand der Schittkauer Mühlen am Moldauufer in Prag. Die
Berichterstattung darüber hat für Kisch insofern eine besondere
Bedeutung, als er sie zum Anlass nimmt, in seinem autobiografischen
Buch »Marktplatz der Sensationen« grundsätzliche Betrachtungen zum
Thema Journalismus und Wahrheit anzustellen sowie seine Entscheidung
zugunsten der Wahrheit in der Berichterstattung zu begründen.
1913
Ein neues Buch erscheint:
»Prager Kinder«, Lokalreportagen, Verlag A. Haase, Prag
Kisch schenkt Jarmila ein Exemplar mit der Widmung:
25. Mai: Oberst Alfred Redl, Generalstabschef des 8. Prager Korps
der k.u.k. österreichisch-ungarischen Armee, erschießt sich in der
Nacht vom 24. auf den 25. Mai im Hotel Klomser in Wien. Hinter
diesem Selbstmord verbirgt sich die größte Spionageaffäre vor dem
Ersten Weltkrieg, Kisch enthüllt Hintergründe und Zusammenhänge
dieses Selbstmordes und gelangt zu internationalem Ruhm: Oberst Redl
war ein Agent des Zarenreiches. Am Anfang von Kischs Enthüllung
steht als Glanzstück journalistischer Arbeit seiner Zeit in der »Bohemia«
vom 28. Mai eine kurze Nachricht mit Informationen und Kombinationen
in Form von »Wiener Gerüchten«, wobei man an offizieller Stelle
»keine nähere Auskunft über die Richtigkeit« gibt. Die ausführliche
Schilderung des Falles Redl erscheint 1924 in Buchform.
Juni: Übersiedlung nach Berlin, Mitarbeiter am »Berliner Tageblatt«.
1914
Kischs einziger Roman erscheint, zugleich das erste Buch bei seinem
Verleger Erich Reiss:
»Der Mädchenhirt«, Erich Reiss Verlag, Berlin
Frühjahr: Als Nachfolger Gerhart Hauptmanns kurzzeitig Dramaturg am
Berliner Künstlertheater.
31. Juli: Korporal Kisch rückt in der südböhmischen Garnison Pisek
zum Militärdienst ein; bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges wird er
mit dem Prager Korps an die serbische Front verlegt. Während des
Fronteinsatzes lautet ein geflügeltes Wort seiner Kameraden
»Schreib’ das auf, Kisch!«, denn er führt bis zu seiner Verwundung
ein Kriegstagebuch.
3. September: Kischs Bruder Wolfgang fällt an der russischen Front.
1915
Februar: Das Prager Korps wird an die russische Front verlegt.
18. März: Kisch wird schwer verwundet; nach Krankenhausaufenthalt in
Prag »felddienstuntauglich«.
1916
Februar: Etappeneinsatz in Gyula (Ungarn).
1917
Frühjahr: Im Range eines Oberleutnants Abkommandierung ins
Kriegspressequartier nach Wien, dem Pressestab beim Obersten
Befehlshaber der österreichisch-ungarischen Armee.
November: Mit der Teilnahme an der Konferenz des illegalen
»Aktionskomitees der Linksradikalen« in Sankt Aegyd, an der unter
anderem etwa dreißig gewählte Betriebsvertrauensleute teilnehmen,
entscheidet sich Kisch für eine aktive revolutionäre Position im
Kampf gegen den Krieg. Das Komitee beschließt die Gründung eines
illegalen Abeiter- und Soldatenrates und betraut mit dieser Aufgabe
ein Dreier-Komitee, dem der Oberleutnant Kisch angehört.
1918
1. November: Auf dem Deutschmeisterplatz in Wien findet ein
Soldaten-Meeting statt, auf dem die Rote Garde gegründet und Kisch,
der zu den Versammlungsrednern gehört, zum Kommandeur gewählt wird.
Hauptquartier der Roten Garde wird die Stiftskaserne in der
Mariahilferstraße.
18.November: Auf Druck führender sozialdemokratischer
Regierungsvertreter muss Kisch als Kommandeur zurücktreten und
befehligt nunmehr nur noch das zweite Bataillon, wird aber von den
Soldaten demonstrativ zum Kommissar der Roten Garde gewählt.
9. November: Die erste Ausgabe des Wochenblattes »Der freie
Arbeiter« erscheint in Wien, herausgegeben von der Föderation
revolutionärer Sozialisten »Internationale«, die sich am 28.
November öffentlich konstituiert und zu deren führenden Mitgliedern
Kisch gehört. »Der Freie Arbeiter« erhält mit der zweiten Ausgabe
eine ständige Beilage für die Arbeit unter den Soldaten. Sie trägt
den Titel »Die Rote Garde« und wird von Kisch redigiert. Regelmäßig
erscheinen auch Beiträge aus seiner Feder.
1919
29. März: Kisch veröffentlicht in der Beilage »Rote Garde« seinen
letzten Beitrag und nimmt - enttäuscht von der Entwicklung und
aufgrund einer beispiellosen Rufmordkampagne gegen ihn - Abschied
von dieser politischen Aufgabe.
Mai: Kisch wird Mitglied der Kommunistischen Partei
Deutschösterreichs (KPDÖ), nachdem sich die Föderation
revolutionärer Sozialisten »Internationale« mit ihr vereinigt hat
März-Juni: Lokalreporter bei der Wiener linksbürgerlichen Zeitung
»Der Neue Tag«.
Lernt Gisela Lyner in Wien kennen.
1920
Ein neues Buch erscheint:
»Die Abenteuer in Prag«, Verlag E. Strache, Wien/Prag/Leipzig
Sommer: Nach einer Frankreich-Reise Rückkehr nach Prag; Mitarbeit am
»Prager Tagblatt«.
September-Oktober: Flussfahrt mit dem Moldaudampfer »A. Lanna 8« von
Prag über Hamburg und Wilhelmshaven nach Mainz.
1921
Zwischen Mai und August: Kisch bereist die Slowakei und Frankreich.
Herbst: Übersiedlung nach Berlin. Kisch lernt im Romanischen Café
Jarmila Haasová kennen. Er beginnt mit der Arbeit an seinem Werk
»Klassischer Journalismus« und begibt sich zu diesem Zweck über
einen längeren Zeitraum täglich in die Staatsbibliothek Unter den
Linden, um beispielgebende Texte nicht mehr lebender Autoren - von
Joseph Addison bis Emile Zola - auszuwählen und jeweils mit einem
Text-Medaillon einzuleiten. Kisch wohnt zu dieser Zeit in der
Güntzelstraße 3.
1922
Das Tagebuch aus dem Zweiten Weltkrieg erscheint:
»Soldat im Prager Korps«, Verlag der Andréschen Buchhandlung,
Leipzig-Prag
Außerdem erscheint die Komödie über den Halleschen Dieb Käsebier und
König Friedrich II. von Preußen:
»Die gestohlene Stadt«, Erich Reiss Verlag, Berlin
Berliner Korrespondent der Tageszeitung »Lidové noviny«, in Brno;
die Honorare aus dieser Tätigkeit sind vorerst seine
Haupteinnahmequelle.
Kisch entwickelt im Laufe der Jahre eine Mitarbeit an diversen
Berliner Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten; unter anderem
schreibt er für das linksliberale »Tagebuch« und »Die Weltbühne«,
für »Die Welt am Abend«, die kommunistische Tageszeitung »Die Rote
Fahne«, die auflagenstarke »Arbeiter- Illustrierte Zeitung«, die
»Linkskurve« und den bürgerlichen »Berliner Börsen-Courier«.
1923
Die repräsentative Anthologie mit 99 ausgewählten Beiträgen von 77
Autoren aus vier Jahrhunderten erscheint:
»Klassischer Journalismus - Die Meisterwerke der Zeitung«, Rudolf
Kaemmerer Verlag, Berlin
Januar: Besuch bei Maxim Gorki in Saarow-Pieskow, zusammen mit
Jarmila, seiner späteren Frau Gisl, der tschechischen Bekannten
Bozena Neumannová sowie deren kleiner Tochter Sonja.
1924
Es erscheint der Reportagenband, dessen Titel zu Kischs
unvergänglichem »Markenzeichen« wird:
»Der rasende Reporter«, Erich Reiss Verlag, Berlin
In einem Buch erstmals umfassend dargestellt:
»Der Fall des Generalstabschefs Redl«, Verlag Die Schmiede, Berlin
März/April: Kisch bereist Dänemark.
Mitglied im Schutzverband Deutscher Schriftsteller (SDS).
1925
Ein weiterer Reportageband des »Rasenden Reporters« erscheint:
»Hetzjagd durch die Zeit«, Erich Reiss Verlag, Berlin
Juli: Kisch bereist die Schweiz.
18. November: Eintritt in die KPD.
Dezember: Erste Reise in die Sowjetunion.
1926
Frühjahr: Reportagefahrt in der Sowjetunion, ins Donezgebiet, nach
Transkaukasien und Leningrad.
12. Mai: Rückkehr aus Moskau nach Berlin; anschließend bis zum
Herbst Veröffentlichung von Reiseberichten über das Sowjetland in
der Zeitschrift »Das Neue Russland« und in der kommunistischen
Tageszeitung »Die Rote Fahne« sowie diverse Vorträge über seine
Reiseerlebnisse.
Zwischendurch ist er im Juli zum traditionellen Sommerurlaub mit der
Mutter an der holländischen Nordseeküste, recherchiert anschließend
in Holland für Reportagen, die in der »B.Z. am Mittag« erscheinen.
31. Dezember: Zwischenstation mit einer Filmcrew in Marseille auf
dem Weg nach Nordafrika, wo Kisch in dem Ufa-Film »Die Frauengasse
von Algier« mitspielt. Kisch - Autor des Prager Zuhälter-Romans »Der
Mädchenhirt« - spielt die Rolle des Komplizen eines Mädchenhändlers,
dem es obliegt, die Heldin der Filmstory, dargestellt von der
bekannten Schauspielerin Camilla Horn, ins Bordell zu bringen.
1927
Januar/Februar: Kisch bereist Algerien und Tunesien.
23. März: Kisch zieht sich mit Gisl an den Schermützelsee bei Berlin
zurück, um in der Pension »Weiße Taube« bei Bollersdorf unweit von
Buckow einem Berg von Arbeit zu erledigen. Er muss in knapp drei
Monaten vier Bücher fertigstellen, die im Laufe des Jahres
erscheinen und ein Kisch-Buchrekordjahr markieren:
»Zaren, Popen, Bolschewiken«, Erich Reiss Verlag, Berlin - Der erste
Sammelband über das Sowjetland.
»Kriminalistisches Reisebuch«, Verlag Die Schmiede, Berlin -
Eine Schilderung der Verbrechen aller Zeiten und Länder, die vom
Verfasser an ihren Schauplätzen aufgesucht und aufgeklärt wurden.
»Wagnisse in aller Welt«, Universum-Bücherei für Alle, Berlin -
Das erste im linksgerichteten »Münzenberg-Konzern« verlegte
Kisch-Buch mit speziell dafür geschriebenen beziehungsweise
bearbeiteten internationalen Reportagen.
»Max Hoelz: Briefe aus dem Zuchthaus«, herausgegeben und mit einem
Nachwort versehen von Egon Erwin Kisch - Mit Vehemenz beteiligt sich
Kisch auch an verschiedenen Aktionen zur Freilassung des zu einer
langjährigen Zuchthausstrafe verurteilten Führers bewaffneter
Arbeitereinheiten.
1928
Aus der Feder von Egon Erwin Kisch erscheint die Schrift:
»Sieben Jahre Justizskandal Max Hoelz«, Mopr Verlag, Berlin
18. Juli: Max Hoelz wird freigelassen, Kisch holt ihn vom Zuchthaus
Sonnenburg ab.
31. Oktober: Kisch geht von Bord der »Olympic«, mit der er von
Großbritannien aus den Atlantik überquert hat, in New York an Land
zu einer mehrmonatigen Reportagereise durch die Vereinigten Staaten.
1929
10. Januar - 5. Februar: Von Baltimoore fährt Kisch als
Leichtmatrose auf dem Frachter »Jefferson Myers« durch den
Panamakanal nach San Pedro in Kalifornien, um in Los Angeles unter
anderem mit Charly Chaplin und Upton Sinclair zusammenzutreffen;
weiter über San Francisco, Chicago und Detroit wieder nach New York.
13. April: An Bord des Schiffes »Homeric« Rückreise von New York
nach Southampton, wo ihn Gisl empfängt.
Mai: Veröffentlichung von Reportageserien über die USA in der »Welt
am Abend« sowie in »Die Rote Fahne«.
1930
Nachdem »Der rasende Reporter« bereits die 15. Auflage, »Hetzjagd
durch die Zeit« und »Zaren, Popen, Bolschewiken« jeweils die 10.
Auflage erreicht haben, erscheint nun im Erich Reiss Verlag, Berlin,
als weiterer Reportageband:
»Egon Erwin Kisch beehrt sich darzubieten: Paradies Amerika«
Weiterhin erscheint das Buch »Soldat im Prager Korps« in einer neuen
Ausgabe mit neuem Titel:
»Schreib das auf, Kisch!« - Das Kriegstagebuch von Egon Erwin Kisch,
Erich Reiss Verlag, Berlin
Als »unverkäufliches Manuscript« erscheint als Ko-Produktion mit dem
guten Freund aus der Jugendzeit Jaroslav Hasek das Theaterstück:
»Die Reise um Europa in 365 Tagen - Eine groteske Begebenheit in 15
Bildern«, Arcadia-Verlag GmbH, Berlin
Mai/Juni: Kisch bereist Südfrankreich, Monte Carlo und Korsika.
November: In Charkow findet die zweite Weltkonferenz der
Revolutionären Schriftsteller statt, an der Kisch als Delegierter
des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller teilnimmt
Unter dem Datum vom 15. November erhält Kisch die Berufungsurkunde
für eine Lehrtätigkeit an der Journalistischen Fakultät der
Kommunistischen Universität »Artjom« in Charkow, die er bis Februar
des kommenden Jahres ausübt.
1931
Nachdem »Paradies Amerika« bereits die 27. Auflage erreicht hat,
erscheint die Sammlung aufregender Kriminal- und Gerichtsfälle:
»Prager Pitaval«, Erich Reiss Verlag, Berlin
Sommer: Reportagereise mit ausländischen Schriftsteller-Kollegen
durch Sowjet-Mittelasien; anschließend bis 15. September Aufenthalt
im Sanatorium in Gorki bei Moskau.
1932
Das »Prager Pitaval« hat inzwischen die 10. Auflage erreicht. Die
Kritik lobt es über alle Maßen. »Wieder hat der findigste Kopf aus
der Reporterwelt ein halbes Hundert Trümpfe in der Hand, um sie mit
virtuoser Technik auszuspielen« schreibt die »Neue Mannheimer
Zeitung«. In der »Weltbühne urteilt Kurt Tucholsky: »Das ist ein
herrlicher Schmöker! Aus alten Scharteken, aus dem Pitaval, aus
eigenen Erlebnissen tut Kisch hier das, was er am besten kann: er
erzählt... Es ist zu schön.« Auch das »Prager Tagblatt« - »Und man
kann unendlich viel aus dem Buche lernen« - wird auf den Werbeseiten
des nächsten Buches zitiert:
»Egon Erwin Kisch berichtet: Asien gründlich verändert«, Erich Reiss
Verlag, Berlin
Frühjahr: Fahrt mit dem Zug von Moskau mit Zwischenstation in
Tschita, um das Visum einzuholen, zu einer mehrmonatigen
Reportagereise nach China.
August: Rückreise über Japan
1933
Im angestammten Verlag erscheint zum letzten Mal ein Buch aus der
Feder des berühmtesten deutsch-sprachigen Reporters dieser Zeit:
»Egon Erwin Kisch berichtet: China geheim«, Erich Reiss Verlag,
Berlin
Januar: Kisch ist wieder in Berlin und bezieht Ende des Monats zur
Untermiete ein Zimmer in der Motzstraße.
28. Februar: Kisch wird früh um fünf Uhr verhaftet. Gegenüber den
Kriminalpolizisten sagt er aus, er sei gegen »halb ein Uhr nachts«
nach Hause gekommen. Kisch wird zunächst ins Polizeipräsidium am
Alexanderplatz transportiert und dann - laut Haftbefehl - wegen
»dringenden Verdachtes der Teilnahme am Hochverrat« in der Nacht vom
1. zum 2. März in die Festung Spandau gebracht.
11. März: Aufgrund offizieller tschechoslowakischer Proteste
müssen die Nazis den tschechoslowakischen Staatsbürger Egon Erwin
Kisch freilassen; mit Polizeibegleitung wird er am Grenzort Pomokly
gegen Quittung den Grenzbehörden übergeben. Für die nun in Prag
erscheinende »Arbeiter-Illustrierte Zeitung« schreibt er den
sensationellen, international beachteten Bericht »In den Kasematten
von Spandau« über die Verbrechen der Faschisten in Deutschland.
4.-6. Juni: Der Antifaschistische Arbeiterkongress Europas tagt in
Paris; als einer der Redner prangert Kisch die Verbrechen der
braunen Machthaber an.
Herbst/Jahresende: Reisen nach London, Frankreich, Belgien, Holland,
Spanien.
1934
Nach der Übersiedlung von Prag nach Paris/Versailles werden in
diesem Jahr die ersten Kisch-Bücher in deutscher Original-Fassung
von westeuropäischen Emigranten-Verlagen herausgebracht:
»Eintritt verboten«, Edition du Carrefour, Paris
»Geschichten aus sieben Ghettos«, Verlag Allert de Lange, Amsterdam
Januar: Aufenthalt in Belgien.
21.-25. Juni: In Paris tagt der Erste Internationale
Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur, an dem Kisch,
der inzwischen nach Paris übergesiedelt ist, teilnimmt und in den
Kongressvorstand gewählt wird.
13. Oktober: Kisch tritt an Bord des britischen 20 500-Tonnen-Liners
»Strathaird« die Fahrt nach Australien an, um als Delegierter des
Weltkomitees gegen Krieg und Faschismus am australischen
Antikriegskongress Anfang November in Melbourne teilzunehmen.
6. November: Die »Strathaird« erreicht Freemantle, Kisch - der hier
von Bord gehen will - erhält Landeverbot, ihm wird der Pass
abgenommen; auf festgelegter Route fährt das Schiff über Adelaide
nach Melbourne.
12. November: Im letzten Augenblick, da die »Strathaird« Port
Phillip, den Hafen von Melbourne, wieder verlassen will, unternimmt
Kisch die dramatische »Landung in Australien«: Er springt aus fast
sechs Meter Höhe von der Reling, bricht sich ein Bein und wird
wieder an Bord transportiert.
16. November: In Sydney wird Kisch von Bord geholt und in das
Polizeiquartier gebracht; er wird angeklagt und zu sechs Monaten
Zwangsarbeit verurteilt. Eine starke Protestbewegung erzwingt im
folgenden Jahr Kischs Freispruch, so daß er endlich auch
journalistische Recherchen über den fünften Kontinent anstellen
kann.
1935
11. März: Kisch tritt mit dem Linienschiff »Orford« von Australien
die Rückreise nach Europa an.
10. April: Gisl empfängt Kisch in Toulon.
29. April: Kisch begeht seinen 50. Geburtstag in Les Sablettes bei
Toulon; er erhält eine beispiellose Vielzahl von Glückwünschen
namhafter Schriftsteller- und Journalistenkollegen, von Freunden,
Bekannten und Unbekannten aus allen Teilen der Welt. Sonderdrucke
mit brillanten Würdigungen seiner Leistungen erscheinen zum
Jubiläum.
Juni: In Paris tagt der 1. Internationale Schriftstellerkongress zur
Verteidigung der Kultur, Kisch wird mit Heinrich Mann als Vertreter
der deutschen Delegierten in den Kongressvorstand gewählt; er hält
ein grundlegendes Referat über »Reportage als Kunstform und
Kampfform«.
Nach dem Trubel der Rückkehr: Beginn der Arbeit am Australienbuch,
die sich aufgrund der komplizierten Thematik überaus schwierig und
langwierig gestaltet.
1936
In zwei Ländern erscheint in deutscher Originalfassung - natürlich
in unterschiedlich aufgemachten Ausgaben - gleichzeitig ein weiterer
Reportage-Sammelband:
»Abenteuer in fünf Kontinenten«, Edition du Carrefour, Paris und
Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR, Moskau
Mai/August: Aufenthalte in Belgien und Holland.
Kisch schließt mit dem amerikanischen Verlag Alfred A. Knopf, New
York, einen Vertrag über ein autobiografisches Buch unter dem Titel
»Crawling in the inky river« (»Schwimmend im Tintenstrom«).
1937
Kischs letztes großes, in sich geschlossene Buch erscheint in Europa
vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges:
»Landung in Australien«, Verlag Allert de Lange, Amsterdam
Frühjahr: Aufenthalt in Prag.
9. Mai: Die Mutter stirbt.
Juni: Kisch in Madrid, Teilnahme am II. Internationalen
Schriftstellerkongress sowie am Freiheitskampf des spanischen Volkes
gegen den Faschismus, Fahrten an verschiedene Frontabschnitte;
Recherchen und Interviews im Hospital der Internationalen Brigaden
in Benicasim.
1938
Die beiden einzigen größeren journalistischen Arbeiten Kischs über
den spanischen Freiheitskampf erscheinen:
»Die drei Kühe - Eine Bauerngeschichte zwischen Tirol und Spanien«,
Amalien-Verlag
»Soldaten am Meeresstrand. Eine Reportage von Egon Erwin Kisch«,
Herausgegeben von Ayuda Medica Extranjera (Ausländische Medizinische
Hilfe)
22. Mai: Kommunalwahlen in Prag, Kisch - der sich in Spanien
befindet - wird auf der Liste der Kommunistischen Partei der
Tschechoslowakei zum Stadtrat gewählt.
Juni: Kisch ist aus Spanien nach Versailles zurückgekehrt; er
arbeitet an der Autobiografie.
29. Oktober: Egon Erwin Kisch und Gisela Lyner heiraten in
Versailles.
1939
März: Aufenthalt in einem von fortschrittlichen amerikanischen
Schriftstellern unterhaltenen Schriftstellerheim in Grasse an der
Cote d’Azur; unter anderem Arbeit an einem Manuskript, das später
verloren geht: »Die Geschichte des Postmeisters Drouet«.
September: Die französischen Sicherheitsbehörden siedeln Kisch
zwangsweise in ein kleines Dorf bei Versailles um, stellen ihn unter
Polizeiaufsicht und verbieten ihm jeglichen Kontakt mit der
Außenwelt.
28. Dezember: Nach mehrtägigem zwangsweisem Aufenthalt auf Ellis
Island, wohin Kisch an Bord des Schiffes »Pennland« gelangt war,
erteilt die USA-Einsreisebehörde Kisch endlich ein Durchreise-Visum.
1940
2. Februar: Der Verlag Alfred A. Knopf kündigt den mit Kisch
abgeschlossenen Vertrag über das Memoirenbuch.
Recherchen in New York, wo Kisch vorübergehend unter ärmlichen
Verhältnissen lebt, für Reportagen über die Lebensverhältnisse der
Juden.
Sommer: Nachdem auch Gisl Kisch aus Europa eingetroffen ist,
Unterkunft bei Freunden in der Umgebung von New York. Vor
Jahresende: Kisch, der zwar über ein Einreisevisum nach Chile
verfügt, begibt sich nach Mexiko, um dort einen sicheren Aufenthalt
zu finden.
1941
Nach den Querelen mit dem Verlag Alfred A. Knopf erscheint Kischs
Memoirenbuch dennoch in den USA in der von ihm geplanten englischen
Fassung, allerdings unter einem anderen Titel:
»Sensation Fair« (»Marktplatz der Sensationen«), Modern Age Books,
New York
November: In Mexiko-Stadt wird als Emigrantenorganisation der
Heinrich-Heine-Klub gegründet; zur Präsidentin wird Anna Seghers
gewählt, zum Vizepräsidenten Egon Erwin Kisch, der auch an der
Zeitschrift »Freies Deutschland« engagiert mitarbeitet.
1942
10. Juli: Die Verlagsgemeinschaft El Libro Libre (Das freie Buch),
am 10. Mai von Emigranten in Mexiko-Stadt gegründet, bringt als
erstes Buch Kischs autobiografisches Werk in deutscher
Original-Fassung heraus:
»Marktplatz der Sensationen«, »El Libro Libre - Das Freie Buch«,
Verlag fuer Antinazi-Literatur in deutscher Sprache
Kischs Bruder Arnold wird im Konzentrationslager Litzmannstadt
(Lodz) ermordet.
1943
Kisch recherchiert für ein Buch über Mexiko; er gehört zum
Redaktionsstab für die spanisch-sprachige Dokumentation »El Libro
Negro del Terror Nazi en Europa« (»Schwarzbuch über den Naziterror
in Europa«).
1944
Kischs Bruder Paul kommt im Konzentrationslager Theresienstadt (Terezin)
ums Leben.
1945
Kurz vor dem 60. Geburtstag erscheint das letzte Buch aus der Feder
des Meisters der literarischen Reportage:
»Entdeckungen in Mexiko«, Editorial »El Libro Libre«, Mexico
Januar/Februar: Kisch bereist Yucatán.
26. April: Bankett für Kisch zu seinem 60. Geburtstag.
1946
1. Februar: Abschiedsabend des Heinrich-Heine-Klubs in Mexiko-Stadt
für Kisch.
17. Februar: Abreise aus Mexiko-Stadt mit dem Zug nach New York,
dort kurzer Zwischenaufenthalt und Wiedersehen mit alten Freunden.
27. Februar: an Bord des britischen Dampfers »Queen Elizabeth« fährt
Kisch Richtung Heimat; nach der Ankunft in Southampton kurzer
Zwischen-aufenthalt in London.
21. März: Kisch trifft zusammen mit André Simone in Prag ein; sein
alter Freund Vinzenc Necas, Jarmilas Ehemann, empfängt ihn mit einem
Berufskollegen auf dem Flugplatz Ruzyne. Kischs erste Worte sind:
»Was macht Prag? Steht es noch?«
28.-31. März: Im großen Saal der Lucerna am Prager Wenzelsplatz tagt
der VIII. Parteitag der KP der Tschechoslowakei, auf dem Kisch eine
kurze Rede hält.
Kisch arbeitet an einem Plan für ein Buch über die befreite
Tschechoslowakei.
Juni: Reise nach Belgrad, Teilnahme am Prozess gegen den serbischen
Tschetnik-Führer Mihailowitsch.
Juli: Erste Recherchen für die unvollendet gebliebene Reportage
»Karl Marx in Karlsbad«.
21./22. September: Teilnahme an Feierlichkeiten zu Ehren von Karl
Marx in Karlovy Vary.
1947
Ende Juni/Anfang Juli: Reportagefahrt in die mährische
Schuhmetropole Zlin, Besuch des tschechischen Lyrikers Petr Bezruc,
worüber Kisch die unvollendete Reportage »Schuhwerk« und »Ein Tag
mit Petr Bezruc« schreibt.
September: Aufenthalt im Herzbad Podebrady.
November: Erster Schlaganfall.
1948
24. März: Zweiter Schlaganfall.
31. März: Egon Erwin Kisch stirbt in der Prager Klinik in der
Katerinska ulice Nr. 468; wenige Augenblicke, nachdem Gisl und
Jarmila das Krankenbett im Zimmer Nr. 68 zu einer Besorgung
verlassen haben, hört um 13.45 Uhr Kischs Herz auf zu schlagen.
5. April: Trauerfeier in Form eines von der Regierung ausgerichteten
Staatsbegräbnisses; anschließend Trauerzug vom Pulverturm über den
Wenzelsplatz, den Tausende von Menschen säumen. Als Vertreter der
Regierung nimmt der stellvertretende Ministerpräsident Antonin
Zápotocky Abschied: »Ich musste meinem langjährigen Freund Egonek
bei meinem letzten Besuch versprechen, dass ich an seinem Sarge
reden werde...«
30. September: Urnenbeisetzung auf dem Prager Friedhof Strasnice,
Urnenhain, 3. Reihe.
1962
19. April: Gisl Kisch in Prag verstorben; ihre letzte Ruhestätte
erhält sie neben »Egonek«.
1968
13. September: Bedrich (Kaspar) Kisch stirbt als Letzter der fünf
Kisch-Brüder in Prag, wo er auch beigesetzt wird.
1990
30. August: Jarmila Haasová-Necasová verstirbt im Seniorenheim
Dobris bei Prag. Letzte Ruhestätte in Prag. |
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